Nachdem ich mich als Jugendlicher an diesem Grat schon mal versucht hatte, geriet diese Tour bei mir über Jahre hinweg in Vergessenheit. Zu brüchig, zu schwierig als Solotour, zu leicht als Klettertour, zu entlegen usw. In Erinnerung geblieben sind mir haarsträubende Abseilmanöver und ein Abbruch der Tour nach Süden. Doch immer wieder sticht dieser Grat mit seinen markanten Scharten von der Fuchskarspitze oder dem Jubiläumsweg ins Auge. Ein Eintrag bei http://www.gipfelbuch.ch/ rief die Tour wieder in Erinnerung. Es wurden weitere Begehungen bekannt und schließlich wurde das Anforderungsprofil schärfer und die nötige Ausrüstung deutlich. Im Oktober 2015 war es dann so weit.
Nach einem langen Aufstieg über das Prinz-Luitpold-Haus und die Balkenscharte legten wenig oberhalb des Fuchsensattels den Klettergurt an. Die ersten Hindernisse stellten sich in den Weg. Das waren jedoch keine klettertechnischen, sondern Latschen, die man meist einigermaßen am Rand des nordseitigen Abbruchs umgehen konnten.
Den ersten Felsaufschwung umgingen wir südseitig um bald schon durch einen Kamin zum Grat zurückzukehren.
Dieser bricht senkrecht bis überhängend in die folgende Scharte ab. Damit war die erste Abseilstelleerreicht, die nach übereinstimmenden Aussagen unserer Vorgänger schlecht sein sollte. Genau aus diesem Zweck hatten wir opferbares Bandmeterial, Schekel, sowie ein paar Bohr- und Schlaghaken dabei. Nachdem die Abseilstelle erneuert wurde, glitten wir ruhigen Gewissens rund 20 m hinab in die Scharte.

Undramatisch, jedoch dank sperriger Latschen mühsam war der Weiterweg über einen markanten Kopf zur nächsten Abseilstelle, die sich in Begehungsrichtung ziemlich rechts (nördlich) befindet. Auch diese Abseilstelle haben wir optimiert. Der Gedanken, nach ca. 20 Meter einen Zwischenstand einzurichten, haben wir fallen gelassen, da man diesen hätte anpendeln müssen und der Fels wenig vertrauensvoll aussah. Für alle die es nicht glauben. Die Abseillänge beträgt 35 m! 60 : 2 < 35!!!.

Beim Weiterweg haben wir uns wohl etwas vertan. Zunächst galt es, nach der Abseilstelle die tiefste Scharte zu erreichen.

Dazu kann man wahlweise 30 m nach Süden abseilen oder durch eine haarsträubend brüchige Rinne abklettern.
Hier hätten wir wohl einige Meter zurück in die Scharte aufsteigen sollen. Berichte anderer Begeher sprechen hier von einer kurzen Kletterstelle in ausnahmsweise festem und gutem Fels. Soll wohl um die III, andere Quellen kurz IV sein. Wir querten hingegen gleich aus der Schlucht hinaus nach Süden auf eine schwach ausgeprägte Kante, die erst leicht, auf den letzten 20 m, brüchig und heikel zum Grat zurückführte. Damit lag die einzige Stelle hinter uns, bei der wir das Seil im Aufstieg benutzen. Bis hier her waren wir nur langsam vorangekommen und standen noch keine 100 Höhenmeter oberhalb des Fuchsensattels. Der Weiterweg sah noch unendlich lang aus. Doch nennenswerte Schwierigkeiten stellten sich nicht mehr in den Weg. Vielfach konnte man in die Südflanke ausweichen.
Bald war Punkt 2259 m (Mute) der AV Karte erreicht. Nicht nur die Schreibweise passt hier nicht (Es müsste üblicherweise Mutte) heißen, sondern auch die Höhe. Lt. Höhenmesser und dem Vergleich zu umliegenden Gipfel ist dieser Felskopf deutlich über 2300 m. hoch. Unter einem Steinmann ist ein Gratbuch versteckt, dass man jedoch leicht übersieht. Noch einmal zeigt der Grat die Zähne. Um in die folgende Scharte zu gelangen, kann man entweder ca. 10 m abseilen oder heikel abklettern. Der weitere Gratverlauf zur Ostschulter ist dann bald von einem kleinen Überhang gesperrt. In brauchbarem Fels stiegen wir bis zu diesem Hinderniss empor. Sodann umgingen wir die gesamte Ostschulter leicht in der Südflanke. Auch eine nordseitige Umgehung wäre denkbar und eventuelle sogar vorteilhafter. Natürlich ließ ich mir es nicht nehmen, mir diesen selten bestiegenen Nebengipfel über die Nordflanke zu holen. Der Weiterweg zum Gipfel bot keine besonderen Schwierigkeiten auf, zeichnete sich doch durch sehr brüchigem Fels aus.
Auf der „falschen Seite“ des Gipfels
Bis zum Schluss spannend blieb die Frage, auf welcher Seite des Gipfels man nun herauskommt. Der sicheren Seite, oder der durch einen jährlich wachsenden Spalt getrennten abbruchbereiten Südseite? Es war natürlich die „falsche Seite“ sprich ein gewisses Restrisiko mit einer Steinlawine ins Tal zu donnern, besteht auf den letzten 50 Höhenmetern.

Ein alternativer Normalweg von Süden?
Es gibt unbestätigte Gerüchte, daß der Ostgrat oberhalb der tiefen Scharte zum Normalweg als Ersatz für den Bäumenheimer Weg ausgebaut werden soll. Vermutlich ist es gar nicht besonder schwierig P. 2259 von Süden zu erreichen. Allerdings, die anhaltende II-er Kletterei ist keinesfalls „touritauglich“ Nur unter massiven Einsatz von Farbe und Draht könnte der Grat entsprechend gezähmt werden. Das wäre aber ein „Verbrechen gegen den Berg“ Zudem kommt man auf den letzten 50 Höhenmeter genau im absturzgefährdeten Bereich heraus. Eine Umgehung durch die Nordwand ist ebenfalls nicht „touritauglich“
Die Tour in Stichpunkten
Hochvogel Ostgrat, auch Ostrnordostgrat
Ausgangspunkt: Fuchsensattel 2039 m. Im Normalfall am schnellsten von Hinterhornbach zu erreichen, alternativ auch von Hinterstein über das Prinz-Luitpold-Haus und die Balkenscharte
Karte: Alpenvereinskarte Allgäuer-Lechtaler Alpen Ost 2/2
Führer: In keinem aktuellen Werk aufgeführt. Im alten Alpenvereinsführer „Allgäuer Alpen, Seibert/Groth 15. Auflage 1997“ lückenhaft beschrieben.
Hütten: eventuell Prinz-Luitpold-Haus
Ausrüstung: Seil (e) das eine Abseillänge von mindestens 35 Meter erlaubt, Abseilgerät, Prusik, Helm, reduzierte Kletterausrüstung
Höhenunterschied: ca. 550m vom Fuchsensattel bis zum Gipfel.Rund 1500 m Gratlänge
Schwierigkeit: im Fels Stelle III-IV, ansonsten anhaltend I-II. dazwischen auch Gehgelände. Überwiegend brüchiger Fels. Bei Auffinden der optimalen Route eventuell maximal nur III.
Geeignet für wen? Routinierte Bergsteiger, welche die Abseiltechnik beherrschen. Bei Auffinden der optimalen Route wird das Seil eventuell nur zum Abseilen benötigt. Trotz der geringen technischen Schwierigkeit keinesfalls zu unterschätzen.
Links:
Guter Beitrag im Rocksportsforum,
Bericht in der Tiroler Zeitung über die Gefahr des Felssturz
4 Kommentare zu „Hochvogel Ostgrat“