Immer wieder wird dieser Berg als „Allgäuer Matterhorn“ bezeichnet. Je nach Perspektive ist dieser Vergleich nicht mal an den Haaren herbei gezogen. Ausgangspunkt ist in der Regel das Dörfchen Einödsbach, dass von nächsten Parkplatz aus in knapp vier Kilometern auf einer für den KFZ-Verkehr gesperrten Straße zu Fuß oder mit dem Mountainbike zu erreichen ist. Einödsbach selbst mit seinen sonnenverbrannten Holzhäusern und der kleinen Kapelle vor der Kulisse von Trettach, Mädelegabel und Hochfrottspitze ist wohl das Fotomotiv Nummer 1 des Allgäus. Kitschig schön anzusehen und doch immer wieder eindrucksvoll. Genau so eindrucksvoll ist die Besteigung der Trettachspitze, die irgendwo zwischen Wandern und Klettern einzustufen ist. Der typische Wanderer ist an den beiden Normalwegen bereits hoffnungslos überfordert, für den Kletterer stellt sich hingegen die Frage, in wie weit es sich lohnt, die Kletterausrüstung wegen wenigen Metern im unteren III. Grad fast 1700 Höhenmeter hinauf zu schleppen. Klassisches Bergsteigen also. In der Regel wird die Trettachspitze im Rahmen einer Tagestour bestiegen. Falls man sich länger Zeit lassen möchte, bietet sich das Waltenberger Haus zur Übernachtung an. Mein persönlicher Tipp ist jedoch ein Biwak auf der Märchenwiese. Diese zählt zu den schönsten Plätzen in den Allgäuer Bergen. Mit oder ohne Seil? Beide Normalrouten, sowohl der Nordostgrat als auch der Nordwestgrat fordern anhaltende, exponierte Kletterei im II. Grad mit jeweils kurzen, zwingenden Stellen im unteren III Grad. Der Hauptdolomit ist meist griffig und für Allgäuer Verhältnisse angenehm fest. Während es am etwas leichteren Nordwestgrat, der meist für den Abstieg genutzt wird, ein paar Bohrhaken gibt, die auch zum Abseilen genutzt werden können, so man sie findet, gibt es am Nordostgrat keine Bohrhaken und nur wenige Normalhaken. Falls am Grat gesichert wird findet man genügend natürlich Sicherungsmöglichkeiten. Das leicht plattige Gelände bis zum Schnee/Geröllfleck fordert jedoch große Erfahrung im Anbringen von Zwischensicherung und im Standplatzbau, sofern das angeseilt gehen nicht zu einer trügerischen Farce werden soll. Ich selbst gehe, wie viele Anderen die beiden Normalwege seilfrei, bevorzuge dafür Zustiegsschuhe oder leichte Bergschuhe und vermeide diese Tour zu Zeiten, an denen andere Seilschaften unterwegs sind. Welchen Zustieg? In der Regel wird die Trettach als Tagestour vom Tal aus begangen. In diesem Fall ist es am besten von Einödsbach über die Alpe Einödsberg, den Spätengund- und den Wildengundkopf zur Märchenwiese auszusteigen. Dieser Anstieg führt über nicht beschilderte, in der Karte als „schwarz gestrichelt“ eingezeichnete Wege. Deshalb hier ein paar genauere Worte. Vom Gasthof Einödsbach folgt man dem Weg in Richtung Waltenberger Haus, bis dieser nach knapp 100 Höhenmeter nahezu eben wird. Zur Linken sieht man ein paar große Felsblöcke zwischen einzelnen Laubbäumen herumliegen. Dort verlässt man den markierten Weg und sucht den Beginn des in der Alpenvereinskarte eingezeichneten Steig zur Alpe Einödsberg. Hat man diesen gefunden, ergibt sich der weitere Aufstieg zur Märchenwiese von selbst. Die Alpe Einödsberg erreicht man auch, in dem man schon gut einem Kilometer vor Einödsbach auf einem steilen Viehtrieb aufsteigt. Auch hier gilt es den nicht markierten Beginn des Weges mittels Karte zu finden. Dieser Aufstieg ist jedoch mühsamer und landschaftlich weniger schön. Etwas länger hingegen ist der Umweg über das Waltenberger Haus. Orientierungsprobleme sollte es hier keine geben, jedoch lohnt dieser Umweg nur, wenn man dort übernachten möchte. Auch von der Spielmannsau lässt sich die Märchenwiese erreichen. Die Wegspuren sind ab der Mädelealpe weitgehend verfallen und verwachsen. Im Sommer wuchern hier mannshoch Brennnessel, Eisenhut, Himbeeren und Grünerlen. Somit ist dieser Zustieg nur im Frühjahr oder im Herbst bedingt zu empfehlen.
Die Märchenwiese.Sie trägt ihren Namen zurecht. Einen schönere Aussichtsloge kann man sich kaum vorstellen. Die kleine ebene, blumenübersähte Grasfläche liegt direkt unter dem steilen Schnee- und Geröllkessel, der zur Nordwand und den beiden Normalwegen führt. Häufig kann man hier Steinböcke beobachten. Ein wunderschöner Platz für ein Biwak Weitere Anstiege. In der Westwand gibt es einige schöne, alpine Kletterrouten von V bis VII. Die Absicherung ist meist sparsam-alpin. Auch in der Ostwand, einer der höchsten Felswände des Allgäus wurde im letzten Jahr eine neue Route erschlossen. Siehe hierzu den spannenden Bericht von Walter Hölzer im Bergzeit Magazin. Bilder Oben: Links die Ostwand der Trettachspitze, rechts die Südkante und die Südwestwand.
Die Südkante sowie Südwand und Südwestwand werden wegen ihrem langen Zustieg und der inhomogenen Schwierigkeitsverteilung kaum noch begangen. Interessant hingegen ist für den erfahrenen Bergsteiger die Überschreitung des Allgäuer Dreigestirn Hochfrottspitze, Mädelegabel und Trettach. Mehr dazu in Kürze hier. Für mich gehört eine Trettachbesteigung zum Pflichtprogramm eines Bergsteigerjahres. Am liebsten in der Zeit der längsten Tage als Feierabendtour. Bricht man gegen 17.00 Uhr in Einödsbach auf, so ist es dann gut zu schaffen, bis zum Sonnenuntergang zurück an der Märchenwiese zu sein und den ab hier leichten Abstieg mit der Stirnlampe fortzusetzen. Von so einer Feierabendtour lassen wir nun die Bilder sprechen. Meine Tourenpartnerin auf dieser Abendtour im Juli 2014 war die erfolgreiche Trailrunnerin Gitti Schiebel aus Immenstadt
Karte: Alpenvereinskarte Allgäuer-Lechtaler Alpen West 2/1 Führer: Alpines Allgäu Kletterführer Allgäu Hütten: Waltenberger Haus der DAV Sektion Allgäu Immenstadt Ausrüstung: Mountainbike, Helm. Falls angeseilt wird, komplette Alpinkletterausrüstung Höhenunterschied: ca. 1700 m ab Parkplatz Fellhornbahn Schwierigkeit: im Fels Stellen bis III, anhaltend II und exponiert, Zustieg über den Einödberg: leichtes Wandergelände auf nicht markierten Pfaden. T3 nach SAC Wanderskala
Geeignet für wen? Routinierte Bergsteiger die den angegebenen Schwierigkeitsgrat im Aufstieg und im Abstieg ohne Seil bewältigen können oder aber die entsprechende Seil- und Sicherungstechnik beherrschen.
„Interessant hingegen ist für den erfahrenen Bergsteiger die Überschreitung des Allgäuer Dreigestirn Hochfrottspitze, Mädelegabel und Trettach. Mehr dazu in Kürze hier.“ – Hoffentlich zieht sich die Kürze nicht mehr allzu lange… suche bereits seit Monaten vergeblich nach verlässlichen(!) Infos zur Gesamt-Überschreitung des Allgäuer Dreigestirns – bislang ohne Erfolg. Würde mich wirklich sehr darüber freuen!
Kraxl-Gruß,
Chris
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Suche bereits seit Jahren nach Infos… 😉
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Wenn weitere Wünsche erlaubt sind: Die Überschreitung vom Kleinen Widderstein auf den Großen Widderstein würde mich auch brennend interessieren (quasi Überschreitung Kleiner Widderstein + oberer Teil Ostgrat Großer Widderstein). 🙂
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Großer und kleiner Widderstein liegen nicht bei einander also auch nicht zu überschreiten
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Hallo Peti,
da irrst du. Überschreitung beider Gipfel wird häufiger gemacht, allerdings bedeutet der Aufstieg zum Großen Widderstein (aus dem Karlstor) das Klettern in sehr brüchigem Fels. Hier braucht es eine sehr vorsichtige Routenwahl. Ansonsten eine echt tolle Tour.
Gruß,
Udo
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wenn ich heute so manchen Beitrag zum Klettern lese, stelle ich mir immer mal wieder die Frage nach dem Sinn des Geschilderten. So steht in diesem Beitrag: *Am liebsten in der Zeit der längsten Tage als Feierabendtour. Bricht man gegen 17.00 Uhr in Einödsbach auf, so ist es dann gut zu schaffen, bis zum Sonnenuntergang zurück an der Märchenwiese zu sein und den ab hier leichten Abstieg mit der Stirnlampe fortzusetzen. *
Ich kann heute nicht mehr zählen wie oft ich auf der Trettachspitze war aber sie zählte seit meiner frühesten Jugend (ab 9 im Jahr 1963) auch zu unserem Mussberg. Im Laufe der Jahre haben wir fast jede Route mindestens einmal oder mehrfach geklettert. Auch 2 mal im Winter. Aber eine Besteigung der Trettachspitze war auch immer ein langer Anmarsch und immer mindestens eine 2-Tagestour. Wir wollten diese grandiose Bergwelt geniesen, Ruhe und Stille, das Pfeiffen der Dohlen in den Felswänden hallen hören oder mit ihnen am Gipfel eine Rast einlegen. Es war immer das Gesamterlebnis von Anfang bis zum Ende das uns begeisterte. Wenn ich dann heute lese dass ein Berg kurz mal eine Visite abbekommt frage ich mich was das mit dem Erlebnis Bergnatur zu tun hat. Wäre es nicht besser dann in eine Halle zu gehen und eine Kletterwand zu malträtieren?
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