Unter den zahlreichen 6000er der Anden gibt es leichte und schwierige, selten und häufig bestiegene. Der Ausangate zählt zu den selten besuchten Bergen. Von der Schwierigkeit würde ich ihn in die „gehobene Mittelklasse“ einordnen.
Wer Einsamkeit sucht und das Fehlen jeglicher Infrastruktur nichts ausmacht, der findet hier in der Cordilliera Vilcanota sein Paradis. Die meisten Touristen geben sich damit zufrieden, die Sechstausender von unten zu betrachten. Abgesehen vom abgelegenen Yayamari bietet keiner einen leichten Zugang.
(Hermann Kiedler- Die Anden)
Doch nicht nur die technischen Schwierigkeiten sind bei einer Andenexpedition zu berücksichtigen. Es sind auch die logistischen Hindernisse, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden können.
Ich war bereits mehrere mal in Südamerika zum Bergsteigen, doch nirgends war es bisher so schwierig, aktuelle Informationen über die Verhältnisse und Routen zu bekommen wie in den Bergen rund um Cuzco . Obwohl man Cuzco als die Touristenmetropole der Anden schlechthin bezeichnen kann, trifft man kaum auf andere Bergsteiger oder findet bei den zahlreichen Reise- und Tourenveranstaltern einen kompetenten Ansprechpartner. Sämtliche Veranstalter, von denen es Hunderte gibt, bieten alle das Gleiche an. Machu Picchu, Rafting, Dschungeltouren, Trekkingtouren. Fragt man nach Gipfelbesteigungen und das noch ohne Bergführer, so erreicht man rasch das Ende der Fachkompetenz seines Ansprechpartners. In mehr oder weniger schlechtem Englisch heißt es dann „It´s not possible“. Anderseits ist es nahezu unmöglich, einen Berg wie den Ausangate ohne die Hilfe eines lokalen Veranstalters oder zumindest ohne Tragtiere zu besteigen. Nicht ohne Grund gibt John Biggar in „The Andes“ die benötigte Zeit mit acht Tagen an.
Nach einer Akklimatisationstour in der Cordilliera Urubamba begannen wir in Cuzco mit der Vorbereitung unserer Tour. Wir klapperten zahlreiche Tourenveranstalter ab bis wir den Eindruck hatten, dass man unser Anliegen verstanden hat, nicht nur den allgemein bekannten Ausangatetrek zu buchen sondern auch örtlich und zeitlich flexibel zu sein, um Gipfel zu besteigen. Wir landeten schließlich bei American Fox. Eine gute Wahl, wie sich herausstellen sollte. Doch auch hier konnten wir keine Informationen über die aktuellen Verhältnisse bekommen. Auch hier das übliche Geschacher, dass man für unser Vorhaben ein zusätzliches Pferd bräuchte, da ein Pferd eben nur 40 Kilo tragen könne.
Begleitet von einem Guide fuhren wir am darauf folgenden Tag mit dem Linienbus in drei Stunden nach Tinki, einem kleinen Straßendorf am Fuße der Cordilliera Vicanota. Nach einem landestypischen Mittagsmenü (Suppe, weißer geschmackloser Reis, Gemüse und einem Stück Fleisch) für 5 S/. = 1,35 € besteigen wir ein Taxi nach Pachanta, wo unsere Tour beginnen sollte. Noch einmal schliefen wir in einem denkbar einfachen aber sauberen Haus, bevor uns acht kalte Zeltnächte drohten. Das wahre Highlight von Pachanta waren jedoch die heißen Quellen, wo man selbst dann noch angenehm baden kann, wenn draußen die Temperatur unter den Gefrierpunkt sinkt.
Nachdem am nächsten Morgen das Gepäck auf die Pferde gepackt war gings los. Bereits am frühen Nachmittag erreichten wir einen wunderschönen Zeltplatz in 4700 m Höhe, an dem wir zwei Nächte bleiben sollten. Pachaspata wird diese Örtlichkeit genannt.
Als ersters Gipfelziel haben wir uns den Nevado Champa (Jampa) 5500 m ausgesucht. Er soll tl. John Biggar einer der leichtesten Gipfel der Cord. Vilcanota sein, sich gut zum akklimatisieren eignen und einen guten Überblick über die umliegenden Touren bieten.
Der Aufstieg war dann auch ohne nenneswerte Schwierigkeiten und bereits am Mittag waren wir zurück am Zelt, was auch gut so war, denn nachmittags zogen regelmäßig Quellwolken auf und der eine oder andere Schneeschauer war nicht ganz ausgeschlossen.
Am vierten Tag war es mit gemütlichen Trekking und Gipfelbesteigungen entgültig vorbei. Wir hatten uns einen der Zacken im Pucapunta-Massiv herausgesucht und wollten am selben Tag noch eine Etappe weiter in Richtung Ausangate.
Schon beim nächtlichen Suchen der Route wurde klar, dass die Zapfen im Pucapuntamassiv eine ganz andere Hausnummer sind, als der eher gemütliche Champa. Als wir zum Tagesanbruch endliche den Gletscher erreicht hatten, erschwerten tiefer Schnee und zwei kurze Eiswände den Weiterweg. Gemeinsam war das aber zu schaffen. Bald aber wurde klar, dass für uns heute der Caracol mit seinem filigranen Gripfelbau und seinem arg zerspaltenen Grat kaum zu erreichen war. Wollten wir doch gegen Mittag wieder zurück am Champapass sein um die Trekkingtour fortzusetzen. So entscheiden wir uns für den Tinki. Ebenfalls ein formschöner Gipfel mit einem exponierten Gipfelgrat, der aber keine großen Schwierigkeiten aufweist. Im Abstieg mussten wir einmal an einer Eissanduhr abseilen. Ein ebenfalls vorhandener Felshaken erschien uns dafür wenig vertrauenserweckend. Länger als erwartet zog sich der Abstieg mit lästigem Gegenanstieg zum Champapass hin. Im einsetztenden Schlechtwetter folgten wir von dort der üblichen Trekkingroute bis zum nächsten Camp. Immerhin hatten wir den ersten anspruchsvollen Gipfel in der Tasche von dem wir zuvor nur ein Farbfoto mit einer Routenlinie hatten.
Über den fünften Tag gibt es nicht viel zu berichten. Es war eisig kalt, das Wetter zeigte bereits wieder eine deutliche Tendenz zur Besserung und die kurze Tagesettape führte uns in das rund 4800 m hoch gelegene Basislager des Ausangate.
Die Pacha Mama Zerenomie
Für die Indigenas gelten die Berge als heilig. Sie sehen darin einen besonderen Punkt von Pacha Mama (Mutter Erde). Vor unserem Aufbruch sollten wir für Pacha Mama ein Opfer bringen um damit um Glück und Erfolg zu bitten. Dazu nahm jeder drei Coca-Blätter vor dem Mund, bließ darüber und vergrub die Blätter in ein kleines zuvor gegrabenes Loch im Boden. Sodann spuckten, sprühten Eusebius in Nicaron etwas Schnaps darüber und sprachen ein paar Worte in Ketchua.
Am sechsten Tag stand nach klarer und eisig kalter Nacht der Aufstieg in das auf rund 5450 m gelegene Hochlager an. Zwischen zahlreichen Felsblöcken fanden wir ebene Flächen und das vorangegangene Schlechtwetter hatte etwas Neuschnee hinterlassen, so dass wir direkt im Lager auch Wasser zum Kochen hatten. Den Nachmittag verbrachten wir entspannt mit Rumsitzen, fotographieren und wir erkundeten das erste Stück des arg zerrissenen Gletschers, der sich einfach begehen ließ, als erwartet.
Nach kurzer Nacht brachen wir am nächsten Morgen gegen 4.30 Uhr zum Gipfel auf. Das Wetter zeigte sich von seiner allerbesten Seite. Wolkenlos und windstill. Die vortägliche Erkundigung des Gletschers hatte sich bewährt und so standen wir im ersten Tageslicht am Beginn der kurzen Eiswand, die den Weg zum Gipfelplateau versperrte. Zunächst noch einfach aber mühsam im tiefen Pulverschnee steile die Route bald deutlich auf. Einige Fixseile kamen zum Vorschein. Anscheinend wird der Berg doch in und wieder von organisierten Gruppen besucht. Bei insgesamt guten Eisverhältnissen erreichten wir in zwei Seillängen das Plateau. Der Weg zum Gipfel schien offen. Doch zunehmend machte uns der tiefe, grieselige Pulverschnee zu schaffen. In der dünnen Luft in schon über 6000 m Höhe wurde das Vorwärts kommen zu einer zunehmend zähen angelegenheit. Zudem mussten große Spalten weiträumig umgangen werden. Nachdem wir zu letzt für 50 Höhenmeter fast eine Stunde benötigt hatten, beschlossen wir zum etwas schwierigeren Grat zu queren, der das Plateau rechts begrenzt. Wir hofften so, über den exponierten Grat, an dem auch die Schieldroute endet, den Gipfel zu erreichen. So viele Höhenmeter waren ja nicht mehr zu überwinden. Allerding gibt es in unangenehmes Phänomen, dass nämlich Gletscherspalten oft quer über die Grate verlaufen.. Doch zunächst wurde esi n Gratnähe und am Grat selbst tatsächlich besser. Die Einsinktiefe ging von mindestens knietief auf schuhtief zurück. Bald schon zog eine breite Spalte über den Grat hinweg, die anhang einer auf Triebschnee bestehenden Brücke zu überwinden gewesen wäre. Was fast auch geklappt hätte, wäre die Brücke nicht mit samt dem Vorsteiger in die Splate gestürzt.
Gipfel nicht erreicht
Kurz und knapp: Der Sturz verlief glimpflich. Der Weiterweg zum Gipfel war auf diesem Weg erst mal nicht mehr möglich und außen herum im mindestens knietiefen Schnee zu spuren dazu fehlte uns hier in über 6000 Meter Höhe die Zeit und die Kraft und aufgrund von diesem Vorfall auch die Motivation.
So traten wir etwa 150 Höhenmeter unter dem Gipfel den Rückzug an. Zwei Seillängen a` 50 m seilten wir ab, wobei wir einmal eine Eissanduhr und das andere mal ein Stück Fixseil verwendeten. Am Späten NachMittag waren kehrten wir wieder zurück ins Basislager, wo wir von userem Treiber und dem Koch bereits erwartet wurden.
Die nächsten zwei Tage benötigten wir für die Rückkehr nach Cuzco. Wir wählten die Route westlich am Ausangate vorbei und vervollständigten somit die Umrundung des Berges in einer andinen Traumlandschaft. Alleine diese Landschaftsbilder waren die Reise wert.
Was haben wir richtig oder falsch gemacht?
Wenn man kurz vor dem angestrebtem Gipfel umkehren muss fragt man sich natürlich wo der Fehler lag.
Die Akklimatisation war schon auf Grund des langen Anmarsches und der zuvor ausgeführten Touren ausreichend, hätte aber besser sein können.
Die Jahreszeit Ende Juni ist die beständigste in dieser Region. Durchschnittliche Regentage pro Monat in Cuzco im Juni: 1 , Niederschlagsmenge 2 ltr /m². In den Bergen vermutlich etwas höher. Wir waren Ende Juni unterwegs
Über die herrschenden Verhältnisse waren wir kaum informiert. Das hätte besser laufen können. Erst im Basislager erfuhren wir von einem Bergführer, dass man für den oberen Breich am besten Schneeschuhe verwendet und von den vorhandenen Fixseilen.
Ausrüstung: Schneeschuhe hätten uns vermutlich den Aufstieg zum Gipfel entlang der oben recht einfachen Normalroute ermöglicht. Ski ebenfalls, doch hätte man das zusätzliche Gewicht gerade bei Skiern die meiste Zeit tragen müssen.
Das Ziel ansich hätte eigentlich gepasst. Das der Ausangate in Summe anspruchsvoller ist, als viele 6000er in Bolivien war uns klar. Eher schon Expedition als Hochtour
Die Tour in Kürze:
Ausangate 6372 m. Normalroute von Südosten
Führer: John Biggar „the andes“ (englisch), Hermann Kiendler, „Die Anden“ (deutsch) Panico-Verlag, Lonely Planet, Peru: Wichtig für Anreise, Alltag und alles was in Peru nicht mit dem Bergsteigen zu tun hat.
Karte: PIGM Blatt 28-t Ocongate 1:100.000 (mäßig brauchbar)
Beste Zeit: Mai bis Juli, also im schwach ausgeprägtem Winter in Südperu.
Hütten: Im Basislager des Ausangate steht eine neue Hütte, die einem Bergführer gehört und nur geöffnet ist, wenn man mit diesem oder seiner Agentur unterweg ist. Sonst ist man auf das Zelt angewiesen.
Ausrüstung: Alpine Zeltausrüstun (Zelt, Matte, Schlafack, Kocher) die man auch selbst tragen kann. Vorteilhaft zwei Seile a´50 m. Eisschrauben, zwei Pickel oder Eisgeräte, Steigeisen, (komplette Gletscherausrüstung) . Warme Kleidung für Temperaturen bis minus 20 Grad. (in der Regel wird es nicht kälter als minus 10 Grad) Schneeschuhe! Gute Stirnlampe!
Vergessene Ausrüstung kann man in Cuzco ausleihen oder auch sehr teuer neu erwerben.
Geeignet für wen? Weder der Gipfel ist ein Einsteiger 6000er noch der Ausangatetreck ist eine Tour für unbedarfte Wanderung. Alleines schon auf Grund der Höhenlage und der Kälte. Wer sicher einen 6000er besteigen will, hat rund um La Paz (Bolivien) größere Chancen.
Schwierigkeit AD : Hochtour über spaltenreiche Gletscher mit einer kurzen Eiswand (2-3 Seillängen) je nach Ausstieg kurz um die 60 Grad. Eventl. auch ganz kurz steiler. Lt. Einheimischen ist der Berg in den letzten Jahren schwieriger geworden.
Aufstieg ins Hochlager:
Vom Basislager im Talgrund zwischen Moräne und Bergmassiv im Talgrund hinauf. Dann auf der Moräne und später einen steilen Felssporn, der vom südlichen Vorgipfel des Ausangate herabzieht steil umgehen. Zum Schluss überraschen einfach auf diesem felsigen Sporn hinauf bis man diesen in ca. 5400 m nach rechts (Norden) verlässt. Unterhalb des Gletscher befinden sich wenige ebene Plätze für das Hochlager
Aufstieg zum Gipfel:
Vom Hochlager auf den zerissenen Gletscher und über diesen an die kurze Eiswand, die den Zugang zum Gipfelplateau versperrt. Über diese hinauf und in Aufstiegsrichtung links der Gratkante über flache Schneehänge zum Gipfelbau. Laut Auskunft Einheimischer Bergführer sind für das letzte Stück meist Schneeschuhe vorteilhaft.
Uns wurde klar davon abgeraten, die Felsrippe, die vom Hochlager bis zum Gletscherplateau führt weiter zu verfolgen. Sie sei im Fels schwierig und der Übergang zum Gletscher sei wegen großer Spalten oft nicht möglich. Wir haben es nicht versucht. Verlockend sah die Route schon aus.
Hinweis für Andenneulinge: In den tropischen Bergen sind die Nächte lang und kalt. Tageslicht gibt es im Juni von ca. 6.00 Uhr bis ca 17.30 Uhr.
Ein Gedanke zu „Ausangate – Ein zäher 6000er“