Bereits vor der Jahrtausendwende Jahren wurden im Umfeld des Riedberger Hornes zwei Wildschutzgebiete ausgewiesen und einige Schilder zur Lenkung der Skibergsteiger aufgestellt, um dort lebenden Rauhfußhühner ein ungestörtes Überwintern zu ermöglichen. Sowohl die schöne Ostmulden des Wannenkopfes als auch die direkte Nordabfahrt vom Wannenkopf zur Zunkleitenalpe waren noch frei. Im Zuge des Projektes „Skibergsteigen umweltfreundlich“ wurden ab 2008 rund um das Riedberger Horn zahlreiche sogenannte „Wild-Wald Schongebiete“ ausgewiesen.
Das Gebiet um das Riedberger Horn zählt zu den bedeutsamsten Vorkommen von Rauhfußhühnern in den bayerischen Alpen. Um Ihnen in einer touristisch stark genutzten Region das überwintern zu ermöglichen sind Flächen notwendig, die frei von menschlichen Störungen bleiben. Das Problem war, dass die gefundenen Regelungen im Gelände kaum bekannt waren, da die Kennzeichnung fehlte. Dies änderte auch nicht, die neue Alpenvereinskarte, die 2013 auf den Markt kam. Auch die Beschreibungen im Skitourenführer wurden an die gefundenen Kompromisse angepasst. Doch der Einheimische verwendet in seinem Hausgebiet keine Karte. Aufgrund des weitläufigen Gebietes ist eine lückenlose Beschilderung kaum möglich. Sprich die umfangreichen Schongebiete wurden zu wenig beachtet.
Doch kaum ist die Alpenvereinskarte und der Skitourenführer gedruckt, sehen Vertreter von Jagd und Vogelschutz einen „erheblichen Handlungsbedarf“ Anstatt sich zu überlegen, warum der Freizeitsportler, hier vorwiegend ökologisch angehauchte Städter mit Schneeschuhen, in Unkenntnis der natürlichen Zusammenhänge die letzten unberührten Flächen aufsucht, fordern sie einfach noch viel mehr Schutzgebiete. Am besten auch gleich mit einer Bußgeld bewährten Verordnung. Sie fordern einfach. Der Alpenverein, längst keine Vertretung der Bergsteiger mehr, sondern williger Erfüllungsgehilfe von Jägern und Radikalökos, nimmt sich dem Thema natürlich sofort an. Dabei vergessen die Forderer ein paar grundlegende Fakten. Wir haben in Bayern von der Verfassung garantierte „freie Betretungsrecht“ Wer hier begründete Ausnahmen fordert, der muss auch für die Umsetzung sorgen. Sprich mit Schildern, Absperrbändern usw. ins Gelände gehen und die sensiblen Bereiche kennzeichnen.
Wir Bergsteiger fordern ja gar nichts.
Als ich aufgrund alten Hakenmaterial in den Kletterrouten an der Fuchskarspitze einen „erheblichen Handlungsbedarf“ sah, habe ich auch nicht gefordert, sondern selbst Hand angelegt und die Haken ausgetauscht. Genau das darf man hier auch von Jagd und Vogelschutz erwarten. Was aber tun die? Sie lamentieren, dass die Schongebiete nicht beachtet werden und fordern gleich ein paar neue dazu.
Von der Regel des „freien Betretungsrechtes“ kann keine Rede mehr sein. Der verfassungsgarantierte Normalzustand ist schon die eher die Ausnahme. Damit aber nicht genug. Es wird angekündigt, dass wenn die Grasgehrenlifte ihre Liftanlagen modernisieren, alle Vereinbarungen hinfällig sind und neu überprüft werden müssen. Schutzgebiete mit Bußgeldandrohung werden gefordert. Diese Ankündigung ist eigentlich schon mehr als eine Unverschämtheit.
Zeit für die Bergsteigerseite die Defensive zu verlassen. Fordern wir auch! Fordern wir Wiederfreigabe der direkten Nordabfahrt vom Wannenkopf zur Zunkleitenalpe und die direkte Ostmulde vom Gipfelkreuz hinab. Fordern wir Bestandsschutz für alle Kletterrouten am Besler und sanfte Erschließung der Gauchenwände für den Klettersport im Sommer. Fordern wir, dass die geplante Modernisierung der Liftanlagen zu keinen neuen Schutzgebieten führt.
Dann, wenn diese Forderungen erfüllt werden, aber nur dann, sind wir bereit auf vielen Flächen, so wie vom Vogelschutz gefordert auf unser verfassungsmäßiges Recht zu verzichten. So kann man eine Win-Win-Situation für alle Seiten erreichen. Das wäre eigentlich Aufgabe des Alpenvereins, solch ein Win-Win-Ergebnis herbeizuführen. Aber vermutlich wird er an dieser Stelle wieder versagen und sich stattdessen in sozial-ökologische Widersprüche verwickeln.
Realistischer als ein Win-Win Ergebnis wird leider nachstehender Ausblick sein.
Blick in die Zukunft
2016 In der Grasgehrenmulde wird ein alter Doppelschlepplift durch einen Sessellift ersetzt. Als Ausgleichsfläche dafür werden weitere großflächige Schutzgebiete ausgewiesen.
2017 Vertreter des Tourismus fordern eine Verbindung der Skigebiete Grasgehren und Balderschwang. Jagd und Vogelschutz schäumen vor Wut. Die schaffen es den Alpenverein auf ihre Seite zu bringen und betonen, dass es natürlich keine neuen Schutzgebiete gibt. Sie garantieren Bestandsschutz für alle üblichen Skirouten und für die Klettergebiete am Besler. Neue Sperrungen fordern sie taktisch klug vorerst nicht.
2020 Nach langen Prozessen ist die Skigebietsverbindung verhindert. Jagd und Vogelschutz benötigen die Bergsteigerseite nicht mehr als Partner. Der Vogelschutz sieht „erheblichen Handlungsbedarf“. Es wird betont, dass man den Besucher nicht aussperren will. Es werden ein paar Routen gemäß untenstehender Karte ausgewiesen. Der Rest ist gesperrt. Der Nationalpark Hörnergruppe-Nagelfluhkette wird gegründet. Alle Flächen sind zu Natura 2000 und FFH Gebieten erklärt.
2025 Der Vogelschutz sieht „erheblichen Handlungsbedarf“. Der Besucherdruck auf den ausgewiesenen Skirouten nimmt ständig zu, auch sei man personell mit der Kontrolle des Wegegebotes überfordert
2026 Nach dem Vorbild der US Nationalparks wird der Zugang limitiert. Ab Januar 2026 dürfen pro Tag nur noch 25 Personen zwischen 10 und 16 Uhr das Riedbergerhorn besteigen.
2027 Ein Alpenvereinsfunktionär aus München ist zu einer privaten Skitour angereist. Es gibt frischen Pulverschnee und die Sonne scheint. Er erreicht als 26. den Checkpoint Grasgehren und wird zurückgewiesen. Jetzt erkennt man auch beim DAV in München, dass man mit den falschen Partnern kooperiert hat. Und die Rauhfußhühner? Die gibt es da oben wie eh und je. In manchen Gebieten selten geworden sind sie nur deshalb, weil man ihnen durch die intensive Forst- und Landwirtschaft den Lebensraum genommen hat.
Siehe hierzu auch: https://freieberge.wordpress.com/2015/02/18/rauhfushuhner-gar-nicht-so-selten/
Hihi… – insbesondere der „Blick in die Zukunft“ ist amüsant.
Ansonsten ist’s doch immer das Gleiche mit den Menschlein, da muss man sich nicht darüber aufregen, das macht nur krank: jeder denkt, nur ihm gehört etwas und nur er darf der Bestimmer sein – ganz gleich, ob dass jetzt die Jäger, der Forst, die Naturschützer, die übrigen an Kapitalvermehrung Interessierten oder die, die da schon immer waren, sind.
Diese Rumstreitereien, wer jetzt wo was in den letzten noch verbleibenden Fleckchen unbebauter (in drei Gänsefüßchen) Landschaft (gemeinhin bezeichnet als „Natur“) praktizieren darf, ist ein typisches Produkt unserer hohen Bevölkerungsdichte. Interessenkonflikte ballern aufeinander und müssen geregelt und vergesetzet und ggf. bestraft werden. Eine Interessenpartei zu unterstützen, verschärft die Konflikte und damit die Regelungen. Weil: siehe oben – jeder denkt, nur ER ist der Bestimmer.
Die Moral: Willst du ein ruhiges (um nicht zu sagen „freies“) Leben führen, such‘ dir was, wo im Durchschnitt wenige bis keine Menschen auf dem Quadratkilometer wohnen. Da kann man dann nach Norden, Osten, Westen und Süden abfahren, Feuer machen und sogar im Zelt biwakieren…
PS.: Und dass der Alpenverein eine Combo wichtigtuerischer Loser ist, das bekomme ich jedes Mal, wenn ich dieses Panorama-Heftchen als sein Publikationsorgan aufschlage, spätestens auf Seite 4 mit. 🙂
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