Was passiert am Grünten?

Unter dem Markennamen „Grünten Berg Welt“ plant ein allgäuer Investor Nordseite des Berges die Modernisierung eines seit zwei Jahren brach liegenden Skigebietes, dazu eine Rodelbahn, den Neubau der Grüntenhütte, eine Walderlebnisbahn (was auch immer das ist) und vieles mehr. Was bedeutet das für uns Bergsteiger, Tourengeher, Kletterer und Naturfreunde?  Nachstehend möchte ich das Für- und Wider und die möglichen Folgen darstellen.

Was bisher geschehen ist: Ein kurzer, grober Rückblick

Auf der Nordseite des Grüntens gab es seit Jahrzehnten zwei Skigebiete. Die Grüntenlifte und die Kammeregglifte. Obwohl sie geländebedingt faktisch zusammengeschlossen waren, schafften es die Betreiber  auf Grund interner Streitereien nicht, eine gemeinsame Karte anzubieten mit der Folge, dass das Gebiet zunehmend als unattraktiv wahrgenommen wurde. Zuerst gingen die Kammeregglifte pleite. Man versuchte die Kammeregglifte noch einen Winter als Naturschneegebiet zu betreiben. Doch ohne Kunstschnee schlug dieser Versuch in dieser Höhenlage und Exposition fehl.

Ein paar Jahre drauf standen dann die Grüntenlifte. Der Geschäftsführer hatte das Rentenalter erreicht. Für dingend notwendige Modernisierungen waren keine finanzielle Mittel vorhanden.

Zudem saßen dann die Betreiber der Grüntenlifte einem betrügerischen, schweizer Investor auf, fielen auf hochtrabende Versprechungen herein und am Ende war der schweizer Investor verschwunden und die Lifte standen still.

 

Alte Interessenskonflikte

Im Jahr 2002 gab es am Grünten noch große Pläne. Das allgäuer Trainingszentrum alpin  (ATA) für den Skinachwuchs sollte entstehen. Als Ausgleich für die dafür notwendigen Rodungen im Bergwald schlug ein Gutachter und Wildbiologe aus dem Oberallgäu vor, das Klettergebiet „Giggelstein“ zu sperren. Letztendlich führte die drohende Sperrung des Gigglsteins zur Gründung der „IG Klettern Allgäu“ Man wollte einen „zweiten Ifen“ im Allgäu“ auf jeden Fall verhindern.  Mir, als Führerautor legte man Nahe, die anspruchsvolle „Senderabfahrt“ aus künftigen Auflagen zu streichen, um den Besucherdruck zu reduzieren. Ich kam dieser Aufforderung nach unter der Bedingung, dass es dann zu keiner Sperrung der Abfahrt kommt und auch die Klettergebiete auf der Südseite erhalten blieben.

Gutachten Gigglstein Sommer 2002
Ein Gutachten zum 2002 geplanten Trainingszentrum. Das Klettern am Gigglstein sollte als Ausgleich für das Trainigszentrum verboten werden
Leserbrief Grünten 31.7.2002
Mein Leserbrief vom August 2002. Er richtete sich vor allem gegen das oben erwähnte Gutachten, dass ein friedliches Nebeneinander verschiedener Sportarten negierte. Aus heutiger Sicht muss allerdings erwähnt werden, dass  die Regelungen am Ifen weniger restriktiv wären, wenn die Bezirkshauptmannschaft Bregenz dem Zeitlergutachten gefolgt wäre.

Es kam anders: Das ATA wurde am Oberjoch errichtet und der Konflikt um den Gigglstein und die Senderabfahrt verstummte.

Pro und Contra

 

Pro

Der Grünten ist ein erschlossener Berg. Es werden,  anders als am Riedberger Horn geplant war, keine neuen Pistenflächen erschlossen. Parkplätze und Pistentrassen sind vorhanden. Eine Investition würde Arbeitsplätze in er Region sichern. Der am äußersten Alpenrand stehende Grünten fängt schon die erste Besucherwelle ab und entlastet das südliche Allgäu. Warum nicht dort erschließen, wo eh schon Menschenmassen sind und das Gelände schon angepasst wurde?

Contra

Die vergangenen zwei Winter haben gezeigt, dass auch ohne technische Erschließung genug Leute den Grünten besuchen. Die Gastronomiebetriebe waren oft so voll, dass kein Platz mehr zu bekommen war. Die Berge brauchen keinen Geschmacksverstärker und keinen Funpark. Eine Erschließung würde in einer  eh schon stark belastete Region  für zusätzlichen Verkehr und Besucherdruck führen. Der Grünten ist nicht wirklich schneesicher.

 

Was bedeutet das Projekt für uns Bergsteiger?

 

So ähnlich, wie ich es hier im Fall des Riedberger Horn beschrieben habe, besteht die Gefahr, dass wir individuellen Bergsportler im Konflikt zwischen Naturschutz und Kommerz zerrieben werden. Wir haben zwar die Bayer. Verfassung auf unserer Seite, die uns das „Freie Betretungsrecht“ zu den Naturschönheiten garantiert. Dieses Recht kann aber eingeschränkt werden.

Bei Schneemangel benutzen wir gerne die Kunstschneepisten der Liftbetreiber. Es wird also wieder öfters möglich sein, den Grünten vom Auto weg mit den Skiern zu besteigen. Allerdings müssen wir mit zeitlichen und räumlichen Einschränkungen rechnen, nämlich dann, wenn die Pisten präpariert werden. Hier gilt es Kompromisse zu finden. Auch in Hinsicht auf den sehr beliebten Tourenabend am Mittwoch.

Eine Investition in dieser Größenordnung rechnet sich nur im Ganzjahresbetrieb. Die relativ teuren Berg- und Talfahrten im Sommer müssen den kostenintensiven Winterbetrieb subventionieren. Ein Ganzjahresbetrieb, sowie eine leistungsfähige Seilbahn bedeuten mehr Leute am Berg. Das führt dazu, dass von Seiten der Jagd und des Naturschutzes Ruhezonen, Betretungsverbote und Besucherlenkung  gefordert werden.  Genau dass, was wir eigentlich nicht wollen. Aussagen des Rettenberger Gemeinderates und in sozialen Netzwerken bestätigen das.

Es könnte also das Klettern am Gigglstein und die Senderabfahrt  als Ausgleich eingeschränkt werden.  Möglich ist auch, dass die Stuhlwanddiskussion wieder aufflammt. So wie es im Jahr 2002 schon mal angedacht war. Als nächstes werden die zusätzlichen Besucher mit den bisherigen Besucher um den Parkraum konkurrieren. Es ist also damit zu rechnen, dass Parkscheinautomaten und Halteverbotsschilder wie Giftpilze nach einem Sommerregen aus dem Boden schießen.

Die Zufahrt auf der Mautstraße zur Jörgalpe könnte eingeschränkt oder untersagt werden. Wer fährt schon mit der Seilbahn, wenn man viel billiger mit dem Auto halb hinauf fahren kann?

Wie ist unser Standing, unsere Wertschätzung?

Wir müssen uns im Klaren sein, dass der Betreiber des Skigebietes an die Grundbesitzer eine unter Umständen nicht unerhebliche Pacht für die Pistenflächen bezahlt. Wir Tourengeher bezahlen nichts. Auf welche Seite werden die die meisten Grundbesitzer nun stellen?

So lange die Lifte still standen, waren wir Tourengänger lt. zahlreichen Medienberichten hoch willkommen. An manchen Tagen und auch an den Tourenabenden am Mittwoch war in den geöffneten Hütten kein Platz mehr zu bekommen. Soviel zum immer wieder vorgetragenen Argument „an denen  ist nix verdient“.

https://www.br.de/mediathek/video/sanfter-wintersport-was-am-gruenten-los-ist-wenn-die-lifte-stillstehen-av:5c5d62b021d02d0017dbe334

Jetzt wo ein Investor gefunden wurde, macht man uns für alles verantwortlich, was in den letzten Jahren am Grünten schief gelaufen ist. Man unterstellt uns Müll liegen zu lassen, alles zu zuparken und wirft und vor, von früh um 5.00 bis nachts um 22.00 Uhr unterwegs zu sein.

Mag man diese Aussagen in einer Facebook-Gruppe noch als Dummgeschwätz einer bildungsfernen Bevölkerungsschicht sehen, so sind Aussagen einiger Gemeinderäte aus Rettenberg schon gewichtiger zu werten. Das Tourengeher viel Parkraum in Anspruch nehmen, mag stimmen. Es stimmt mit Sicherheit auch, dass am Grünten Tourengeher von früh um 5.00 Uhr bis nachts um 22.00 Uhr unterwegs sind. Doch so zu argumentieren belegt deutliche intellektuelle Defizite, denn: Sollte eine Erlebniswelt entsteht, lockt dies noch mehr Besucher an, was die Parksituation noch verschärft und die Pisten werden auch nachts präpariert.

 

Die Grüntenhütte.

Die alt-ehrwürdige Grüntenhütte soll abgerissen werden (Allg. Zeitung). Lt. ihrer Facebook-Seite haben die Pächter davon erst aus der Presse erfahren. Nun, wenn dem so ist, wäre das völlig unter der Gürtellinie. Schon aus Respekt vor der Lebensleistung der Pächter gehören diese in den Prozeß mit eingebunden. Ob die Grüntenhütte so bleiben soll, renoviert werden soll oder durch einen Neubau ersetzt werden soll, darüber kann man natürlich geteilter Meinung sein.

Klimatische Bedingungen.

Auf den, am  äußersten Alpenrand sehr exponiert stehenden Grünten trifft jede Wetterfront mit voller Wucht. Das ist Segen und Fluch zu gleich. Denn genau so rasch, wie es dort mal einen Meter Schnee herwirft, ist dieser wieder verschwunden, wenn eine milde Westströmung am Alpenrand entlang fegt. Auf gleicher Höhe liegt nach einer wechselhaften Wetterlage am Grünten oft  deutlich weniger Schnee, als zum Beispiel am Giebelhaus, im Kleinwalsertal oder in den Oberstdorfer Tälern, weil letztere nicht so sehr vom warmen Westwind betroffen sind. Der Tourengeher  und der Wanderer plant situationsabhängig und geht dort hin, wo Schnee liegt, bzw. keiner liegt. Der Liftarbeiter möchte seinen Job über den ganzen Winter gesichert wissen. Dazu braucht es eine leistungsfähige Beschneiungsanlage und selbst damit wird es im einen oder anderen Winter eng werden.

 

Fazit und Abwägung

 

Grundsätzlich entspricht es meiner liberalen Einstellung, jedem seinen Spass und sein Auskommen zu gönnen. Tourengeher, Pistenfahrer und Kletterer können am Grünten friedlich nebeneinander ihren Sport ausüben. Es spricht auch nichts dagegen, ein brach liegendes Skigebiet zu modernisieren. Eine Art „alpiner Funpark“ sehe ich als kritisch und unpassend.

Eine  Verdrängung einer Nutzergruppe zu Gunsten einer anderen kommen oder  einer Sperrung von Felsen oder Skirouten als als Ausgleich für eine ganzjährige Erschließung, ist nicht zu akzeptieren. Hoffen wir nicht, dass uns die Umstände dazu zwingen und wir weiterhin friedlich am Grünten Klettern und auf Skitour gehen können.

 

 

 

 

 

 

5 Kommentare zu „Was passiert am Grünten?“

  1. Ob sich Frau Voss schoneinmal die Parksituation an der Alpsee Bergwelt angesehen hat? Die wird sich noch freuen wenns so kommt wie dort.

    Like

  2. Nach dem Aus fürs Riedberger Horn muß nun der Grünten für die fragwürdigen Ziele der selbsternannten Naturschützer herhalten.
    Ich war kürzlich im Südtiroler Ahrntal, wo es bei den Reichenbach-Fällen eine sogenannten „Fly-line“ durch den Wald gibt. Etwas ähnliches ist am Grünten geplant. Offensichtlich gibt es im Ahrntal keine „Wir sind gegen Alles-Fraktion“ wie wir es wieder am Grünten vorgeführt bekommen. Im Ahrntal fügt sich die Rutschbahn durchaus in die Natur ein.
    Man muß langsam in Deutschland nur noch den Kopf schütteln, weil sich gegen jedes Projekt Widerstand sammelt. Eine Modeerscheinung?

    Like

  3. Nein, keine Modeerscheinung, lediglich die schmerzhaft erlernte Fähigkeit aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

    Zip-line mit krawalligem Gebrüll, Currywurst und Idiotenmucke für degenerierte Großstadtmenschen ist am Grünten zwar immer noch am besten aufgehoben weil am so weit von der Faua und Flora der Alpen weg wie es eben möglich ist und trotzdem für die Natur so überflüssig wie ein Haufen am Hacken.

    Mit Geldgier kann man natürlich jeden Scheiss rechtfertigen, bloss ist seit 2000 Jahren bekannt das diese Kraft nichts gutes schafft … oder so ähnlich.

    Like

Hinterlasse einen Kommentar